Dienstag, 14. Oktober 2014

Streik 2.0 - Nu erst recht !

Die Nachrichten haben es grade gebracht und morgen früh werden die Zeitungen davon voll sein :Wieder geistert ein Gespenst durch die Medien. Streik ! Die Bahngewerkschaft GDL hat ihre Mitglieder aufgefordert ab Mittwoch 14 Uhr für 14 Stunden die Arbeit ruhen zu lassen. Wie können sie nur so grausam sein? Die besorgte Mutti weint schon im Fernsehen, sie könne ihre Kinder nicht von der Kita abholen (früher hieß das mal Kindergarten), der aufgebrachte Pendler jammert, er könne seine Arbeitsstelle nicht erreichen und der Reisende sieht sich einer geldgierigen, arbeitsscheuen Bande von revoltierenden Zugführern (und - begleitern) schutzlos gegenüber gestellt. Ist das wirklich so ?

Der Beruf des Zugführers und des Begleitpersonals ist so einfach nicht. Sonntagsarbeit, Schichtdienste, Dienst an Feiertagen und zu Zeiten, da Otto-Normalverbraucher noch einmal seine Bettdecke über seine Ohren zieht. Ob Sommer oder Winter, ob Regen, Hagel, Hitze - die Bahner müssen an die Schüppe. Die Zeiten, in denen die Härten dieses Berufsstandes noch über das Beamtenrecht abgefedert wurde sind lange schon Geschichte. Auch ist die Sicherheit des Arbeitsplatzes durch EU-weite Ausschreibung bestimmter Strecken nicht mehr bis zur Unendlichkeit des Ruhestandes gewährleistet. Der Bahner ist ein Arbeiter wie alle anderen auch - ohne besondere Vorrechte oder Begünstigungen. Somit hat er auch das Streikrecht zur Durchsetzung seiner berechtigten Forderungen. Streikrecht hat Verfassungsrang !

Die Mitbürger, die den Opelanern in Bochum die Daumen gedrückt haben, die den Karstadt-Verkäufern nette Worte zum Trost spendeten und die den Schlecker-Frauen mitleidig auf die Schulter geklopft haben - wo ist eure Solidarität mit den Bahn-Mitarbeitern? Natürlich ist es ärgerlich, wenn der Zug, den ich nehmen wollte, nicht kommt. Aber ist daran der streikende Lokführer Schuld oder die Deutsche Bahn AG, die sich seinen berechtigten Forderungen stur verschließt?
Der Arbeitgeber nimmt hier die (mit Recht) unzufriedenen Kunden als medienwirksame Druckmittel um seinen eigenen Mitarbeitern den schwarzen Peter in die Schuhe zu schieben. Das ist unfair - das ist unsozial - das ist gemein ! Die Journalisten und Reporter der großen Sender und der Tagespresse tun ein Übriges die Schuld ohne wenn und aber bei der Gewerkschaft zu suchen. Das die Deutsche Bahn natürlich ein sehr lukrativer und überaus einflussreicher Anzeigen- und Werbespot-Kunde ist, sei da nur mal am Rande erwähnt. Die Journalisten sind natürlich gaaaaaaaaaaaaanz unabhängig (und kein Herausgeber oder Verleger würde sich von der wirtschaftlichen Notwendigkeit des Anzeigenmarketings irgendwie beeinflussen lassen). Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Sind die 5 % wirklich zu viel des Guten? Auch ein Lokführer (und Zugbegleiter) muß seinen Lebensunterhalt bestreiten. Bei den Vergütungen dieser Berufgruppe geht es den Beschäftigten nicht darum, sich eine Villa im Tessin oder eine Segelyacht in Monte Carlo zuzulegen, sondern nur um den Ausgleich der Teuerungsrate bzw. der Inflation. Der Bäcker nebenan hat seine Preise erhöht, die Miete ist gestiegen und die Nebenkosten (wie Strom und Gas) werden auch nicht weniger. Wenn also die Gewerkschaft 5 % mehr fordert, so ist das nur Recht und billig. Auch die zwei Stunden Verkürzung der Wochenarbeitszeit sind nicht unverständlich. Das Bahnpersonal hat in den letzten Jahren eine Verdichtung ihrer Leistungsanforderung erfahren, die in kaum einer anderen Branche erreicht wird. Das darüber viele fleißige Bahner krank geworden sind, ist natürlich kein Aufmacher für die Zeitung mit den vier dicken Buchstaben. Das Verhalten der Kunden gegenüber den Zugbegleiter und Lokführer ist teilweise so von Aggresivität geprägt, das Mitarbeiter nur mit Angst um Leib und Leben zum Dienst schleppen. Das Bewerfen von Triebwagen mit Müll und Essensresten bei Einfahrt auf den Bahnsteig ist da noch ein harmloser Fall von inakzeptablem Verhalten.

Wenn also morgen die Bahner auf dem Bahnsteig und vor den Bahnhöfen stehen und ihre verbrieften Rechte wahrnehmen, so meckert sie nicht an. Beschimpft sie nicht und beleidigt sie nicht. Sie tun das, was in jeder anderen Branche auch üblich ist. Sie streiken. Klopft ihnen lieber mal auf die Schulter - sie haben es verdient !

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