Donnerstag, 16. Oktober 2014

Lokführer - ein Traumberuf ?

Zunächst möchte ich vorausschicken : Ich bin kein Lokführer. ich bin auch kein Zugbegleiter und habe in beiden Berufen niemals gearbeitet. Ich habe allerdings in meinem Bekanntenkreis eine Menge Leute, die diese Berufe ausüben und bekommen ihren Alltag oft genug mit.

Die Arbeitszeiten sind furchtbar. Ich selber habe als Funker in einer Taxizentrale nur Nachtschicht. Daran gewöhnt man sich mit den Jahren und man stellt sich um. Fischstäbchen zum Frühstück und Rosinenstuten zum Abendbrot. Den Entspannungs-Cognac trinkt man zum Sonnenaufgang und man schläft eben bis zum sonnigen Mittag. Der Bahnmitarbeiter jedoch hat ein mir bisher etwas undurchsichtiges Schichtsystem. Mal Frühschicht (mitten in der Nacht raus) mal Mittagschicht (zur Essenzeit auf die Lok) oder auch Nachtschicht (da sind Lokführer wie Sterne - abends kommen sie raus). Das ganze auch noch an allen Kalendertagen inklusive der Samstage, der Sonntage und natürlich auch an allen denkbaren Feiertagen. Und bei jeder Witterung (die Bahn hatte mal ein Werbeplakat : Alle reden vom Wetter. Wir nicht). Die Arbeitszeit wechselt täglich. Mal früh, mal nicht so früh, mal spät. Das man zum Feierabend dann zu Hause ist, ist nicht immer gewährleistet. Es kann auch schon mal vorkommen, daß man am Anus Mundi übernachten muß. Schöne Arbeitszeiten sind das nicht. Der Aufbau eines geordneten sozialen Umfeldes mit Freundeskreis und Sportverein, mit Kegelclub und Kleingartengenossenschaft Bedarf fast der Anstellung eines Managers.
Die Gehälter sind nicht schlecht - aber auch nicht gut. Mit Zulagen kommt ein Lokführer auf etwa 2400 € brutto (mit zunehmendem Alter und Betriebszugehörigkeit etwas mehr) und das ganze mit Zulagen. Ein Schichtarbeiter bei BAYER in Leverkusen oder ein Mitarbeiter bei VOLKSWAGEN liegen da deutlich drüber (und die bekommen sogar bis zu 8.000 € Erfolgsprämie im Jahr). Das Gehaltsniveau eines Lokführers liegt unter dem eines Feldwebels bei der Bundeswehr oder eines Sachbearbeiters im Grünflächenamt. Von Gehältern wie sie Fluglotsen erhalten ist der Lokführer weit entfernt. Dabei ist sein Arbeitsplatz mit dem eines Fluglotsen hinsichtlich der Verantwortung durchaus vergleichbar. Nur bekommt ein Fluglotse etwa 6.000 € und arbeitet maximal 32 Stunden in der Woche. Die Vergütung für Zugbegleiter ist noch etwas schlechter - ein Steward oder Purser bei der LTU oder der Lufthansa verdient locker doppelt soviel. Dabei ist das Servieren von Kaffee und die Betreuung von Reisenden in beiden Berufsbildern der Kern der Dienstleistung.

Der Lokführer und der Zugbegleiter sind die Aushängeschilder der Deutschen Bahn. Ein Reisender trifft zuerst auf diese beiden Berufsbilder. So wie diese Mitarbeiter für ihr Unternehmen stehen, so repräsentieren sie es auch zum Kunden hin. Das ist nicht immer einfach. Angriffe auf das Zugpersonal (teilweise mit Morddrohungen und Gewaltausbrüchen kombiniert) zählen leider schon zur Tagesordnung. der Lokführer hingegen hat neben den Widrigkeiten der Technik und der Härte seiner verantwortungsvollen Tätigkeit immer Häufiger das Problem, das Selbstmörder die Bahn als probates Mittel des Suizids ansehen und sich ins Gleis stellen. Die seelische und nervliche Belastung eines Lokführers, der die Hirnschale eines verzweifelten Jugendlichen von seinem ICE kratzen durfte, ist menschlich kaum zu ermessen. Nicht ohne Grund geben zahlreiche Lokführer nach dem mehrmaligen Vorkommen von Suizidwilligen im Gleis ihre Tätigkeit als seelisches Wrack auf.

Jetzt wollen die Lokführer und Zugbegleiter über ihre Gewerkschaft GDL 5 % mehr und zwei Stunden weniger Arbeit pro Woche. Ist das gerecht ? Ja - ist es. Die GDL vertritt diese beiden Berufsgruppen. Die GDL ist die Gewerkschaft der Lokführer. Ihr vorzuwerfen, nicht auch noch die Buchhalter in der Verwaltung oder die Mechaniker im Fuhrpark des Bahnvorstandes zu vertreten ist müßig. Die Zeiten der allumfassenden Einheitsgewerkschaften sind vorbei. Warum sollte ein Mitarbeiter der Verwaltung in der Urabstimmung über einen Streik der Lokführer mitbestimmen dürfen ? Kann eine Gewerkschaft in einem Unternehmen welches mehr als 100 verschiedene Berufsbilder bietet, überhaupt das einzelne Mitglied oder das einzelne Berufsbild noch adäquat vertreten? Und wenn es diese Einheitsgewerkschaft wirklich vermocht hätte, die Bedürfnisse ihrer Mitglieder zu vertreten, warum konnte sich dann die GDL gegen die EVG überhaupt durchsetzen? In der Arbeitswelt ist es wie in der Militärgeschichte. Früher (zur Zeit des alten Fritz) marschierte ein Heer von Soldaten in Reih und Glied gegen den Feind (und kriegte oft genug kräftig auf die Fresse). Schlagkräftiger sind jedoch kleine, bewegliche Einheiten, die sich je nach Geländeart und Feindaufkommen der Situation anpassen können (ein Prinzip der Natur übrigens!). Wenn man in Zeiten der Globalisierung, der EU-weiten Ausschreibungen und der multinationalen Konzerne (mit Hunderten von Tochtergeschellschaften) noch der Meinung ist eine einzige branchenumfassende Gewerkschaft könne da auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber verhandeln, wirkt wie ein preußischer General, der mit seinem Regiment der "langen Kerls" und seiner Reiterei versucht im Urwald von Borneo ein Team der Navy-Seals zu bekämpfen. Frohe Parolen aus der Zeit des Klassenkampfes und das verinnerlichte Parteiprogramm der SPD bringen da nicht weiter. Die Struktur eines Unternehmens muß sich heute regelmäßig dem Markt anpassen, sonst geht es unter. Die Strukturen und Methoden  der DGB-Gewerkschaften jedoch sind heute noch die gleichen, wie zu den Zeiten des seligen Konrad Adenauers. Wer sich zur Durchsetzung seiner Belange auf diese Gewerkschaft verlässt, kann auch einen Arzt konsultieren, der 1918 seine Approbation erhalten hat. Anstatt sich den Anforderungen der wirtschaftlichen Gegebenheiten zu öffnen, schimpft man lieber wie ein Rohrspatz auf die erfolgreiche Konkurrenzgewerkschaft (unterstützt von seinen willfährigen Presseleuten und unter stillem Beifall des Arbeitgebers), dabei ist doch der Erfolg der GDL ein Resultat der Dickfälligkeit der EVG. Beim Eintritt in eine Gewerkschaft hat der Bahner eben heute die Wahl, wer ihn vertreten soll - zahnloser Elefant oder sprungbereiter Panther ?

Leicht haben es die Lokführer und Zugbegleiter nicht. Wenig Geld, miese Arbeitszeiten und Streß ohne Ende. Und dann noch der überflüssige Zank zwischen den Gewerkschaften. Es bleibt zu hoffen, das die Deutsche Bahn als Arbeitgeber sich ihrer Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern bewußt wird und künftige Streiks durch eine besonnene Verhandlungsweise überflüssig macht. Denn nur mit dem Kopfschütteln bis den Mitarbeitern als ultima ratio der Streik bleibt (und ihnen dann gegenüberden Kunden den schwarzen Peter zuschieben) ist keine Verhaltensweise mit der man Werbung machen kann.

Trotzdem bleibt Lokführer ein Traumberuf, wenn er sich auch nur oft in Spurweite HO oder N realisieren lässt. Diejenigen, die diesen Beruf ergriffen haben, sollten sich in dieser schwierigen Phase auf eines verlassen können : Auf die Unterstützung durch die Bahnfreunde. 

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