Dienstag, 17. Dezember 2019

Scheidung auf Englisch

Wenn ich den Fernseher anmache und die Nachrichten dieser Tage sehe, so weiß ich nicht ob ich die ARD, das ZDF oder den History Channel angemacht habe. Wenn es nach unseren Qualitätssendern und ihren politischen Journalisten ginge, so stünde das Vereinigte Königreich moralisch, technisch, kulturell und wirtschaftlich längst über dem Abgrund. Das berichtetem allerdings auch unsere Zeitungen nach der Schlacht bei Paeschendale, der Einnahme von Tobruk, dem Debakel von Dünkirchen oder der Versenkung der "Hood" - ein Blick in die Medien dieser Jahre zeigt eindeutig, daß die "bösen Briten" bald, ja ganz bald oder auf jeden Fall in absehbarer Zeit um Frieden betteln werden. Nun ja - sieht man etwas weiter ins Geschichtsbuch, wird man erschreckt feststellen müssen, daß eben genau das nicht passiert ist. Vielmehr haben wir Deutschen wenig später von den Briten kräftig auf die Fresse gekriegt und das, obwohl sie auf der falschen Seite fahren und Schiebefenster bevorzugen. Das muß uns allerdings nicht sehr grämen, weil noch einmal 100 Jahre früher der Kaiser aller Froschfresser in Waterloo eben sein solches erlebte. Es ist ein historisch wiederkehrender Irrtum, daß die Deutschen die Briten immer unterschätzen. Im Fußball mag es ja noch funktionieren, aber spätestens, wenn die Banken aufmachen und man sich die wirtschaftlichen Prognosen genauer ansieht, wird man feststellen, daß man sich auch diesmal in den Teetrinkern geirrt hat.
Der Engländer (ich lasse jetzt mal bewußt Iren,Schotten und Waliser aus) ist ein im Grunde positiv denkender Mensch. Er hat weder die "German Angst" im Nacken noch die Vollkasko-Mentalität der Deutschen. Er pflegt Traditionen wie den 5-Uhr-Tee und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Und - Er ist stur wie ein Panzer. Fragt man einen Deutschen nach großen Persönlichkeiten der Geschichte, so bekommt man als Antwort "Bach, Beethoven, Goethe, Schiller" oder vielleicht noch "Carl Benz, Martin Luther, Johannes Gutenberg, Immanuel Kant". Alles Erfinder, Komponisten, Dichter und Denker. Fragt man einen Briten, so kommen "Francis Drake, Wellington, Churchill, Darwin" zum Vorschein. Fast ausnahmslos Leute, die ihren Platz in der Geschichte mit Entdeckungen oder Kanonen gemacht haben. Selbst ausgewiesene Seeräuber haben bei den Briten einen höheren Stellenwert als beispielsweise Shakespeare (ausser man fragt einen Theaterwissenschaftler).
Schaut man sich die führenden Familien im Vereinigten Königreich an, so gibt es welche, deren Vorfahren schon mit Wilhelm dem Eroberer 1066 in Hastings gefochten haben (ob für oder gegen ihn sei mal nebensächlich). Diese Leute haben Vorfahren, die ihre Knochen auf allen Schlachtfeldern mit englischer Beteiligung seit 1000 Jahren verteilt haben - und denen will eine Frau von der Leyen und ein Herr Juncker etwas über die historische Bedeutung der EU erzählen! Für die ist die EU eine genauso marginale Erscheinung wie das deutsche Reich Wilhelms II, das Frankreich Napoleons oder das Königreich Polen. Wenn man ihnen zu sehr in die Geschäfte fingert, wird sich schon ein Weg finden lassen, seine Ideen durchzusetzen.
Nun ist Boris Johnson mit bequemer Mehrheit Premierminister und die Androhung von nun an kein Rosenthal-Porzellan, keine Kuckucksuhren oder erzgebirgische Schnitzkunst mehr auf die abgefallene Insel zu liefern, wird in No.10 Downing Street wenig Panik auslösen. Denken wir lieber an die Zeit nach dem Brexit und bewahren wir uns Großbritannien als Freund und Kunde. In Washington, dem Commonwealth, Peking und Moskau wird man schnell - sehr schnell - in die Lücke stoßen, die der Brexit geschaffen hat. Wer allerdings die Lücke schließen wird, den das Vereinigte Königreich in der EU hinterlassen hat, ist fraglich. Aber dafür kann sich die fönfrisierte Uschi ja mal einen Berater engagieren.
Zum Schluß wird man uns vermutlich das deutsche E-Auto oder die Windräder noch als Wunderwaffe verkaufen. Das hab ich auch schon einmal gehört, glaube ich