Montag, 21. April 2014

Wir telefonieren - oder die schwierige Kunst der Kommunikation

Wer jemals aufmerksam in einen Café oder Restaurant gesessen hat und die umsitzenden Gäste betrachtete, wird feststellen, das in einer Zeit in der sich die meisten Menschen wenig oder - im schlimmsten Falle - gar nichts mehr zu sagen haben, fast jeder ein Handy, IPad, IPod, Smartphone oder sonst ein Gerät vor sich liegen hat, mit dem man eigentlich telefonieren können sollte. Jedoch scheint das Telefonieren als verbale Kommunikation fast völlig in Vergessenheit zu geraten. Man schickt Nachrichten in Schriftform - als SMS, als EMail oder über Whatsapp. Nachdem die sprachliche Ausbildung seit Shakespeare und Goethe ein eminenter Teil der menschlichen Reifung wurde, verkümmert diese Errungenschaft abendländischer Hochkultur zu einer Notlösung im Falle technischer Verbindungsprobleme. Wo einstmals die geschliffene Rhetorik zum Ausdruck menschlicher Gefühle benutzt wurden, so reicht heute das Posten eines Icons. Ein grinsendes oder trauerndes Strichmännchens ersetzt die Öffnung des eigenen Seelenbefindens durch wortgewaltiges Sprachtalent. Dadurch reduziert sich allerdings auch die ausdrucksfähige Gefühlswelt auf die Anzahl der zur Verfügung stehenden Figuren. Traurig.
Eine Nebenerscheinung dieser sprachlichen Verkümmerung ist die zunehmende Unfähigkeit der Menschen ihren Wünschen und Absichten sprachlichen Ausdruck zu verleihen. Wer sich früher noch anschickte, zur Beseitigung des Hungergefühls seine Stammpizzeria anzurufen und eine Bestellung aufzugeben, der reduziert sich heute selber durch das Nutzen eines Bestellprogramms auf rein nonverbaler Basis. Und so verlernt man eigentlich sich selber auszudrücken.
Ich erlebe es täglich selber. Ich sitze in der Zentrale eines Taxiunternehmens und das Telefon klingelt. Ich melde mich mit Firmennamen und sage die Tageszeit :

"Taxi XXXXXXXX. Guten Abend !"
Offenbar ist jetzt der erste Punkt der Verwirrung auf der Gegenseite zu spüren. 

"Äh, Äh - ich brauche ein Taxi"
Ich hatte nicht damit gerechnet, das bei uns jemand einen Arzttermin vereinbaren will oder die Bestellung für Heizöl durchgeben möchte - das die Gegenseite also ein Taxi möchte wusste ich schon beim ersten Klingeln.

"Was kann ich für sie tun" frage ich also.
Das bringt erst einmal Zweifel in die Gegenseite. Folgender Dialog gehört da noch zu den einfachen Fällen

"Äh - kann ich ein Taxi bekommen?"
"Natürlich - wir sind ein Taxiunternehmen."
"Wann kann das Taxi denn hier sein?"
"Das weiß ich nicht. Ich weiß nicht wo sie sind."
"Äh- ich bin hier - Äh --Moment. (offenbar wird jetzt ein anderer gefragt) Wo bin ich hier?"
Scheinbar hatte der Anrufer nicht damit gerechnet, das das Taxiunternehmen zur Abholung seine Adresse haben muß. Wenig später :
"Ja ich bin hier, an der langen Straße - wissen sie wo?"
"Nein, ich brauche eine Adresse"
"Ja - äh - Frintroper Straße. Ich stehe an der Ecke"
Die Frintroper Straße hat  13 Einmündungen in andere Straßen !
"An welcher Ecke stehen sie denn?"
"Ja - kommen sie jetzt?"
"Ich muß wissen an welcher Ecke sie stehen"
"Können sie nicht mein Handy orten?"
"Nein, ich brauche eine Adresse. Sie müssen doch wissen, wo sie sind"
"Ja hier beim Kumpel (oder Freundin)"
Man sieht - seiner Freundin oder seinem Kumpel hat der Kunde noch nie einen Brief oder eine Ansichtskarte geschrieben .
"Ich meine die Adresse !"
"Ja - Frintroper Straße. Seid ihr blöd!"
Selber nicht den eigenen Standort kennen, aber den beleidigen, der gerade versucht zu helfen.

Nach 15 (!) Minuten rief der junge Mann erneut an und hatte tatsächlich seinen Standort herausgefunden. Er stand auf dem Reuenberg (400 Meter von der Frintroper Straße entfernt).
Welche Information ich einem Lieferanten oder Abholer geben muß, scheinen die Menschen vergessen zu haben.  Weiterhin ist das Nennen des Namens und/oder der Tageszeit, ein "Auf Wiederhören" oder "Tschüß", die Berücksichtigung persönlicher Höflichkeit (man duzt nicht ungefragt sein Gegenüber), die Nennung von Straße-Hausnummer-Namen (den auf dem Klingelschild - nicht den des Anrufers) und ggf. des Fahrtzieles hat sich als für die Online-Bestell-Generation zu schwierig erwiesen.
Dafür werden mir verstärkt Informationen offeriert, die mich absolut nicht interessieren wie z.B die Postleitzahl (die wird erst interessant, falls wir dem Kunden eine Rechnung stellen müssen).
Aufgefallen ist mir jedoch, daß es den meisten Menschen am Telefon nicht möglich ist, auch nur einen einzigen zusammenhängenden vernünftigen Satz zu artikulieren.
Man mag ja den Telefon-Jux "Die Gewitter-Oma" lustig finden, bei dem eine betagte Greisin aus Sorge um ihre Tochter bei der Polizei anruft und wegen ihrer fortgeschrittenen Harthörigkeit nur einen Bruchteil versteht - schlimmer ist es jedoch die Altergruppe 16-25 am Telefon zur Herausgabe der transportrelevanten Informationen zu bewegen. Aus Gründen des Datenschutzes darf ich solche Gespräche leider nicht im Original veröffentlichen. Die Gewitter-Oma würden aber so manche locker an Komik übertreffen.Die Gruppe "Whatsapp-User" ist eben nur mehr in der Lage in reduzierter Schriftform zu kommunizieren und bringt sich dadurch selbstverschuldet in eine bedauernswerte Situation.  Darauf mal ein kräftiges LOL !

1 Kommentar: