Freitag, 1. April 2016

Nachrufe ! De mortuis nihil nisi bene ?

In der letzten Zeit sind wieder einige Prominente verstorben. Je nach Musikgeschmack oder politischer Richtung ist das natürlich für die Leute auf der Straße ein herber Verlust, wenn ihr Lieblingssportler, -Sänger, -Politiker oder -Promi nicht mehr unter uns weilt. Menschlich hinterlässt ist jeder Verstorbene eine Lücke im Alltag der Überlebenden. Ich möchte hier auch nicht den Tod eines Menschen kritisieren oder dessen Leistungen schmälern.

Was mich nur immer verwundert, ist die Heuchelei, die beim Tod eines Menschen bei den Hinterbliebenen um sich greift. Da kann der Dahingeschiedene noch so ein Drecksack, Armleuchter oder Arschkriecher gewesen sein - im Nachruf erscheint er als Lichtgestalt des lauenden Jahrhunderts. War gestern noch der Franz oder die Emma, die verlogene Ziege, der kriminelle Nachbar, die intrigante Schnepfe, der giftspritzende Gartenzwerg - mit dem Zuklappen des Sarges scheinen sie sich alle im Gedankenkreis der Mitmenschen plötzlich und unerwartet in liebenswerte Zeitgenossen zu verwandeln, deren man noch jahrzehntelang ehrendes Andenken verspricht. Zwei Wochen nach der Beerdigung wissen die meisten Krokodilstränen-Weiner allerdings ncht mehr genau, wie der Typ mit Vornamen hieß. Das ist einfach nur unaufrichtig, aber in der heutigen Zeit der Normalfall.

Ich habe mir seit einiger Zeit angewöhnt, die Todesanzeigen genau zu lesen, die von Firmen für ihre Mitarbeiter in die Zeitungen gesetzt werden. Ich lese besonders die Würdigungen der Verstorbenen. Und ich habe mir mal die Maßstäbe angelegt, die bei Berufszeugnissen verwendet werden. So zum Bespiel :

"Er war immer ein gefragter Ratgeber" - soll wohl heißen, er wusste immer alles besser.

"Sie stand im Mittelpunkt unseres Unternehmens" = Sie hat sich immer eingemischt und ungefragt ihren Senf dazu gegeben.

"Seine Erfahrung wird uns fehlen" = Dreimal pro Tag kam von ihm der Satz "Früher haben wir das so gemacht". War zwar Scheiße, aber er war nicht n der Lage sich neuen Gegebenheiten anzupassen

"Sie war ein unersetzlicher Pfeiler unserer Firma" =  Sie kam immer 15 Minuten früher ins Büro, um sich beim Chef "lieb Kind" zu machen.

"Er hatte ein harmonisches Verhältnis zu Geschäftsleitung und Mitarbeitern" = Er ist dem Chef bis zum Zäpfchen in den Arsch gekrochen und hat jeden angeschissen, der anderer Meinung war.

"Besonders kümmerte er sich um die Auszubildenden" = Er hat die Lehrlinge schikaniert und sich vor ihnen als Alleskönner verkauft, war aber im normalen Geschäftsbetrieb eher störend.

"Sie war ein bei allen Kollegen beliebter Mitarbeiter" = Hat jahrelang die Kollegen mit ihren selbstgebackenen Plätzchen gemästet

"Die Lücke, die er ließ, ist schwer zu füllen" = Hinten im Anzeigenteil wird schon ein Nachfolger gesucht

Wenn man sich mal die Mühe macht, nach diesem Schema die Todesanzeigen zu lesen, erfährt man mehr über so manches Unternehmen und seine soziale Struktur.

Als ich einmal mit meinem Vater die Tageszeitung las und wir bei den Todesanzeigen ankamen (ein Bekannter war gestorben und wir suchten die Anzeigen), habe ich erstmals aufmerksam die Nachrufe gelesen und fragte meinen Vater, ob Arschlöcher eigentlich nicht sterben. Nur liebe, gute,, tapfere und fleißige Menschen scheinen von uns zu gehen. Wenn also wieder einmal ein Prominenter die Augen schließt, so möge man sich doch bitte vor der Beweihräucherung des Verstorbenen fragen, ob das Urteil, welches man über den Toten nun fällt, auch schon eine Woche vorher so gefallen wäre. Wenn ja, so mag man seine Bewunderung ruhig verbreiten. Aber falls nicht, so steht Schweigen doch besser zu Gesicht. Selbst, wenn man den Toten vielleicht nicht gemocht hat, ist Schweigen immer noch besser als verlogene Heuchelei. Auch wenn man Fan eines Prominenten war, so sollte die persönliche Würdigung denen überlassen sein, die ihn/sie wirklich persönlich kannten und für die nun ein wirklicher Verlust entstanden ist.

Als einmal ein Schauspieler verstarb und dies in den Nachrichten gemeldet wurde, rannte ich zu meinem Großvater und wollte ihm die Neuigkeit weitergeben. Ich fragte ihn "Weißt du, wer heute gestorben ist?" - Seine Antwort : "Junge, mir ist jeder recht!"

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